Es geschah aber in jenen Tagen, dass Kaiser Augustus den Befehl erließ, den ganzen Erdkreis in Steuerlisten einzutragen“, hören wir in der Christmette wieder aus dem Lukas-Evangelium. Was für ein krasser Gegensatz begegnet einem dann im Folgenden: der mächtige Kaiser des Römischen Reiches und der kleine, völlig wehrlose Säugling im Stall! Ja, schauen wir uns Weihnachten mal durch die Brille der Macht-Frage an!
In seinem Jesus-Buch macht Alt-Papst Benedikt XVI. auf die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs „Evangelium“ aufmerksam, der „Nachrichten aus dem Kaiserhaus“ meinte. Der „frohen Botschaft“ aus der Zentrale der weltlichen Macht wird die „frohe Botschaft“ von Gott entgegengesetzt. Als erster Evangelist deutet Markus den Begriff „Evangelium“ um und nutzt ihn für die Lebensbeschreibung Jesu. Dem Kaiser, der gottähnliche Verehrung beansprucht, wird der Mensch gewordene Gott entgegengesetzt, der seine „Macht“ in einer jungfräulichen Geburt offenbart. An WeihNACHTen wird das Ende der MACHT verheißen und das Reich Gottes angekündigt.
Die Machtfrage wird uns als katholische Kirche noch lange Zeit beschäftigen, nachdem die im September 2018 veröffentlichte MHG-Studie einen Zusammenhang aufgedeckt hat u.a. zwischen der Machtausübung in Kirche und den Missbrauchsfällen: „Es ist für mich eine sehr bittere Erkenntnis aus der Studie, dass Strukturen und Mentalitäten in unserer Kirche sexuellen Missbrauch nicht nur nicht verhindern, sondern sogar begünstigen“, meinte unser Bischof dazu nach der Veröffentlichung. In der Studie heißt es deutlich zum Punkt „Klerikalismus“: „Sexueller Missbrauch ist vor allem auch Missbrauch von Macht. Klerikalismus meint ein hierarchisch-autoritäres System, das auf Seiten des Priesters zu einer Haltung führen kann, nicht geweihte Personen in Interaktionen zu dominieren, weil er qua Amt und Weihe eine übergeordnete Position inne hat.“
Wenn wir an Weihnachten auf ein neugeborenes Kind schauen, dann schauen wir auch auf unsere Aufgabe, dass ein Kind ohne Missbrauch und ohne Macht-Missbrauch in unserer Welt aufwachsen kann.
Wie wir in der Kirche mit Macht umgehen, ist für mich die entscheidende Frage für die zukünftige Gestaltung unserer Kirche. Wenn alle Kirchenmitglieder, also alle Getauften, sich als mitverantwortlich für die Zukunft von Kirche begreifen, dann hat unsere Kirche eine lebendige Zukunft. Wenn möglichst viele Kirchenmitglieder beteiligt werden und mitbestimmen können über das zukünftige Gesicht von Kirche, dann hat unsere Kirche eine lebendige Zukunft.
Auf dass uns Weihnachten wieder neuen Mut macht, uns für eine menschenwürdige und kinderfreundliche Welt einzusetzen! Auf dass wir gut motiviert dem neuen Jahr und der Zukunft entgegensehen, deren Mitgestaltung in unseren Händen liegt!
Ihnen und den Ihren ein gesegnetes und frohes Fest der Geburt unseres so ganz anders mächtigen Erlösers wünscht seitens
aller Mitarbeitenden in der Pfarrei und GdG Hl. Geist
Ihr Pastor Josef Wolff