Atme in uns, Heiliger Geist GL 346
Das französische Original des Liedes entstand in der „Gemeinschaft Emmanuel“, Übersetzungen gibt es weltweit. Mit der Aufforderung „Komm, du Geist …“ beginnt jede Strophe nach dem Refrain in vertrauter Du-Anrede, geradezu lockend. „Komm, du Geist, kehr bei uns ein“ (Str. 1) ist das deutlichste Zitat aus dem alten lateinischen Pfingsthymnus in diesem neuen geistlichen Lied. Die erste Strophe fragt, was der Geist in uns bewirkt. Er durchdringt uns, indem er bei uns einkehrt und uns so belebt … ein weiteres Zitat, dieses Mal aus dem Großen Glaubensbekenntnis: Der Geist ist der „Herr“, der „lebendig macht“ (Dominus et vivificantem). Die zweite Strophe zeichnet ein klingendes Bild des Geistes für uns. Heiligkeit, Wahrheit & Liebe heißen die Stichworte. So hat Jesus in seinen Abschiedsreden im Johannesevangelium den Geist verheißen: „Er wird euch in die ganze Wahrheit einführen.“ (Joh 16,13) Die dritte Strophe zeigt dann, was der Geist aus uns macht. Er eint die Menschen, wiederum nach Jesu verheißungsvollem Wort „damit sie eins sind“ … (Joh 17,11). Das Sakrament des neuen Anfangs im Geist ist die Taufe … Das Lied eignet sich zu Taufe und Firmung, aber auch für Pfingsten.
Was meint die poetische Umschreibung „Atme in uns, Heiliger Geist“? Der Geist überwältigt nicht von außen, sondern er
nistet sich gleichsam im Menschengeist ein, um „die Türen des Verstehens von innen her aufzutun“ – so sagt es der große Theologe Hans Urs von Balthasar (1905–1988). Schönstes Bild hierfür ist der Atem, hebr. „ruach“ (AT), griech. “pneuma“ (NT). Das Atemholen, ein Grundvollzug des Lebens, gewinnt eine geistliche Dimension. Denn Gott atmet in uns, wenn er uns inspiriert und so Leben schenkt.
„Wir ersehnen dich“ – so fasst die letzte Zeile jeder Strophe alle Bitten um den Heiligen Geist zusammen. Musik kann helfen, diese Sehnsucht nach dem Atem Gottes in uns am Leben zu halten. In diesem Lied gelingt das vor allem durch die charakteristischen Rhythmen. Gleich im ersten Takt des Kehrverses steht eine klug platzierte Synkope, die aufrüttelt. Die Melodie der Strophen hingegen ist weiträumig, schwungvoll und drängend. Der auf Wiederholung angelegte Rhythmus wird unterstützt durch einfache Harmonien mit nur drei verschiedenen Akkorden. Ein Lied, das die Bitte um den Geist nicht weitläufig zerredet, sondern sie in Wort und Ton vertieft.
Liedportrait nach Meinrad Walter